Papa kehrt aus dem
Arbeitslager zurück
Aus dem Buch von Olesja Silkina „Im Kreuzfeuer
des Lebens"
Es
vergehen Wochen, als ich eines Tages nach der Schule, die mir bereits gut
bekannt ist, nach Hause komme und feststelle, dass wir Besuch haben. Ich öffne
die Tür in die Wohnstube und sehe wie Tante Bcrta auf Knien vor einem Mann
kniet und irgendetwas mit seinen Füßen macht. Mein Onkel steht daneben und
unterhält sich mit den Beiden. Beim näheren Hinsehen kann ich meinen Augen
nicht glauben. Es ist mein Vater. Mein liebster Vater. Er ist kaum wieder zu
erkennen, aber ich erkenne ihn. Er ist abgemagert und sehr blass. Seine Augen
sehen so eingefallen und müde aus. Seine Füße sind verletzt, als ob er
monatelang zu Fuß gelaufen wäre. Ich will mich auf Ihn stürzen, wie in den
alten Zeiten, es hält mich jedoch etwas. Ich stehe da und kann gar nichts gegen
diese Starre unternehmen. Ich weiß, es ist mein Vater und ich erkenne ihn ja,
aber er ist mir doch so fremd, sodass ich mich nicht traue ihm um den Hals zu
fallen. Schnell bemerkt er mich und sieht meine Unsicherheit.
„Else,
bist du es mein Kind?" -er spricht sehr leise und kraftlos.
Seine
Stimme zittert und bricht teilweise ab. ..Mensch, bist du erwachsen
geworden..... all die Jahre habe ich an meine kleine Große gedacht und nun
steht sie vor mir und ist kaum wieder zu erkennen."
Seine
müden Augen füllen sich mit Tränen und die Augenbrauen fahren etwas zusammen.
Er blickt bemitleidenswert nach unten und ich spüre seine Schuldgefühle mir gegenüber.
Er wirft sich sicherlich лог, für uns nie da gewesen zu sein. Gerne
möchte ich ihm sagen, dass er sich nichts vorzuwerfen hat. Uns isl es sehr gut
ergangen in den % ergangenen Jahren und er soll sich keine Sorgen machen. Doch
ich kann ihn nichts sagen. Es ist so, als ob ich das Reden verlernt habe und
mit großer Kraft bringe ich doch einen Satz zusammen.
„Ja,
Vater ich bin es."
,.Komm
doch her, lass dich in den Arm nehmen", - sagt er und steht auf. Ich laufe ihm entgegen, obwohl
mich doch etwas zurück hält. Er drückt mich an sich, und mich überkommt ein
sehr komisches Gefühl. Ein Gefühl, das ich schon lange nicht mehr verspürt
hatte.
Mir wird warm ums Herz und ich fühle mich geborgen. Das ist genau
das, was ich mir all die Jahre so gefehlt hat. Meine Familie und die
Geborgenheit.Plötzlich fließen mir die Tränen und es ist seit langem das erste
Mal. dass ich sie nicht zurückhalten kann...
„Papa. Papa!!!;i Emma betritt das Zimmer und läuft
direkt auf uns zu. Sie hat die Situation gut verstanden und gut reagiert. Denn
woher soll sie denn wissen,wie ihr Vater aussiehl? Sie fällt ihm direkt in
seine Arme und irgendwo beneide ich sie, weil ich das nicht konnte. Was hatte
mich wohl dermaßen zurückgehalten, sodass ich zögerte? Ich sehe zu, wie
locker und einfach Emma mit der Tatsache umgeht, dass unser Vater so lange
nicht mehr da war und jetzt wieder vor uns steht.
Emma war schon immer für eine
Überraschung gut und auch dieses Mal hat sie sich ganz eigen verhallen. Niemand
hat damit gerechnet, dass sie ihren Vater den sie gar nicht kennt, mit so
einer Wärme empfangen wird.
Zeitung „Земляки" |