Von der Zarin gerufen, von Stalin verschleppt - Deutsche aus Russland
Vor der Unterkunft in Unna Massen. Auch die Großmutter ist von Kasachstan mit nach Deutschland gekommen.
Foto Paul Hahn.
"Glasnost und Perestroika – Meinungsfreiheit und Umbau" - Michail Gorbatschow will nach Amtsantritt 1985 zügig das verknöcherte Sowjetsystem reformieren. 1986 erlässt er ein Dekret, das jedem Bürger, auch den Russlanddeutschen, die ungehinderte Ausreise aus der UdSSR erlaubt.
In Unna Massen steigt in Folge die Zahl der Spätaussiedler sprunghaft an. Container werden als zusätzliche Unterkünfte aufgestellt, die Verweildauer im Lager von mehreren Wochen auf vierzehn Tage gesenkt.
Mitte der 1990er Jahre erreicht der Zustrom einen Höhepunkt, als in der Sowjetunion nur halbherzige Reformen wirtschaftliche Krisen auslösen. Doch es sind nicht allein die besseren Zukunftsaussichten in der Bundesrepublik, die die Russlanddeutschen zur Ausreise antreiben. "In der Urheimat als Deutscher unter Deutschen leben zu können", das wünschen sich viele.
"Sagt bloß nicht Ihr seid Russländer, wir waren Deutsche u. bleiben Deutsche, u. haben die deutsche Staatsangehörigkeit. " Aus einem Brief von in Westfalen lebenden Russlanddeutschen an neu Einreisende Verwandte. 11.12.1974.
Fundstück. Archiv Landesstelle Unna-Massen.
Im Antrag auf Aufnahme als Aussiedler wird unter 9.3 nach der Pflege des deutschen Volkstums in der Sowjetunion gefragt. "Deutsche Weihnachten gefeiert", schreiben einige oder "Deutsche Allgemeine Zeitung gelesen" und einer hat auch notiert "Deutsche Fußballkämpfe im Fernsehen gesehen".
Die Emigranten haben sich in Russland als Kulturträger verstanden und haben auch in der neuen Heimat Deutsche bleiben wollen. Deshalb legen sie von Beginn ihrer Einwanderung im 18. Jahrhundert an großen Wert darauf, ihren Glauben, ihre Muttersprache, ihre folkloristischen Traditionen zu pflegen und an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben.
Menschenzug vor Saratow. 1764 siedeln hauptsächlich deutsche Kolonisten in der Wolgaregion und erschließen Ländereien im Umkreis von 200 km östlich und südlich der Stadt. Aquarell um 1830. Panoroma von der Wolgaseite. Museum Saratow.Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte, Detmold.